Kipppunkte
Eine satirisch-analytische Polemik zur Nachhaltigkeits-Krise der Nachhaltigkeit
OKT 2024 . Ausgangsfrage. Wir stehen in zunehmendem Stress. Kipppunkte, also unumkehrbare sprunghafte Änderungen globaler Systeme (Klima, Biodiversität), rücken immer näher. Ihr Überschreiten bedroht Gewohn-heiten und schließlich das menschliche Leben: durch Hitze, Stürme, Starkregen, Überflutung von Küstenregionen und Flusstälern, ggf. das Ausbleiben des Golfstroms. Es wird noch mehr sein.
Aber auch gesellschaftlich sind Kipppunkte näher. "Starke Männer" (und Frauen) scheinen als vermeintlich bessere Alternative zum "parlamentarischen Gelaber" mehrheitsfähig. Im Osten der Bundesrepublik, in Europa, fast überall. Multilaterale Diplomatie wird für untauglich erklärt, bilaterale "Deals" und Aufrüstung machen nahe Kriege und damit verbundenes Leid wieder zur Normalität, selbst apokalyptische Kriege wahrscheinlicher.
Beides ist enorm beängstigend. Lähmt! Dabei wäre Wirksamkeit nötig, um das Blatt wieder zu wenden. Welche der Kipppunkt-Überschreitungen können wir abwenden? Wie?
"Transformation" ist deshalb in aller Munde, ähnlich inflationär gebraucht wie "Nachhaltigkeit". Dabei wird die durch den eigenen Lebensstil geprägte persönliche Verantwortung eines jeden betont (Ernährung, Mobilität, Heizung, Kleidung etc.) und Eile angemahnt. Der Wirtschaft werden ähnliche Ziele aufgetragen, wenn auch mit mehr Nachsicht und längeren Umstellungsfristen. Die gewohnten Kompensationslinien (Ausnutzung der postkolonialen Nord-Süd-Ordnung) stehen schließlich nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung.
Kann das Vermeiden der ökologischen Kipppunkte funktionieren, ohne das gesellschaftliche Pendant bewältigt zu haben? Stecken wir in einem der "Ferdinand-von-Schirach-Dilemmata", wo z.B. zu entscheiden ist, ob ein vollbesetztes Flugzeug vom Himmel geholt werden darf, damit es nicht in ein vollbesetztes Stadion gestürzt werden kann? Nur in noch viel größerem Ausmaß?
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"Mitte" und "Rand". 24. August 2015 - Dresden-Heidenau. Vizekanzler Sigmar Gabriel, einer der wenigen Bundespolitiker, der sich überhaupt auf den Weg macht in die Flüchtlingsunterkünfte und die hierdurch völlig überforderten Kommunen, bezeichnet die Demonstranten als "Pack, das mit Deutschland nichts zu tun hat". Er tut dies angesichts der kurz zuvor stattgefundenen äußerst aggressiven und mit rechtsradikalen Symbolen gespickten Randal-Demonstrationen vor der in einem ehemaligen Baumarkt eingerichteten Unterkunft. Ich erinnere mich an mein Unwohlsein, als ich dies höre.
3. Oktober 2024 - in Berlin demonstrieren 40.000 Menschen für mehr diplomatische Bemühungen zur Beendigung der Kriege in der Ukraine und an Israels Grenzen. Drei ostdeutsche Landes-Spitzenpolitiker publizieren gemeinsam ähnliche Forderungen. Sowohl den 40.000 als auch den Dreien wird politisch und medial totale Fehlanalyse und Fremdbestimmtheit (Putin, Wagenknecht o.a.) unterstellt.
Für mich gehören beide Daten zusammen, weil sie Beginn und (bisherigen) Höhepunkt einer bedrohlichen Entwicklung markieren. Sie ist durch unrühmliche Beispiele politischer und medialeinhelliger, verächtlichmachender Reaktionen belegbar: Friedensmanifest und -demoaufruf Schwarzer/Wagenknecht, Corona-Proteste, Gaza-Solidarisierung, Fridays-For-Future- oder Letzte-Generation-Aktionen, Pegida-Demos etc. Allein die Aufzählung macht deutlich, dass es hier nicht um Selbst-Verteidigung einer politischen Position geht; denn wer kann schon für alle diese Dinge gleichzeitig Sympathien hegen oder gar mit wenigstens einigermaßen ehrlicher Überzeugung eintreten!
Das Problem wird aber genau an dieser Aufzählung mit ihren diametralen Polen deutlich: Die, die sich als "Mitte" empfinden und verkaufen (ein wirklich breites Spektrum zwischen Söder, Lang, Merz, Baerbock, Kubicki, Scholz, Strack-Zimmermann, Esken ...), definieren in großer Eintracht und themenübergreifend, was hier besser unterbleiben soll und gar nicht zu dieser Gesellschaft gehört. Quasi also "Pack" ist, wie es Herr Gabriel definierte. Und zu diesem Pack zählen sie dann gleich auch jene Intellektuellen und Prominenten, die sich anmaßen, eines der Manifeste zu unterschreiben oder öffentlich dafür zu werben, obwohl deren Leistungen bis dato die Gesellschaft oft sehr befruchtet haben, und zwar auf vielen verschiedenen Feldern. Die Liste dieser arrogant Diffamierten ist zu lang, um die Namen aufzuzählen. Zu lang, wie auch die Liste diskreditierender Gruppenbezeichnungen: Klimakleber, Verschwörungstheoretiker, Putinversteher, Sofaintellektuelle, um doch einige zu nennen.
Wozu führt das? Das "Pack" sieht sich ausgegrenzt und fühlt sich hierdurch (zumindest emotional) irgendwie zusammengehörig. Bei Corona war es noch überraschend, das Zusammengehen von Bill-Gates-Misstrauenden mit Pegida und Querdenkern. In der Frage des Friedens sind plötzlich BSW- und AfD-Positionen nahe beieinander. Bindeglied ist die Unzufriedenheit mit "der Mitte", das Gefühl, es "denen da oben schon mal zeigen" zu wollen. Wieder ein Anlass für ausgrenzende, diffamierende Kommentare.
Mehr als die Hälfte von uns (also Nichtwähler + AfD + BSW + ???) wählt inzwischen nicht diese "Mitte", ist also "Rand", unbelehrbar und sowieso antidemokratisch.
Laut und leise. Was macht diese fortgesetzte politische und mediale Verbreiterung des "Randes", diese Forcierung des Nicht-Austauschs über strittige Positionen mit uns als Gesellschaft? Wie wird diese Exklusion im Kontext der allgegenwärtigen Debatte über Inklusion wirksam?
Zuallererst macht es uns fataler Weise lauter. Der Wettbewerb um die besten Argumente und Lösungsansätze, den wir dringend brauchen, wenn wir die globalen Krisen überleben wollen, verkommt zu einem Überbietungskampf um mediale Reichweite. "Nachricht" wird etwas nur, wenn es die höchste Steigerung des Bekannten ist. Aufmerksamkeit braucht Superlative, jede Aktion muss buchstäblich alles durcheinanderbringen, sonst war sie umsonst. Zeit für eigenes Besinnen geben wir uns nicht. Wir werben nicht um Zustimmung für unsere Sichtweise. Wenn die Tagesschau der Schlagzeile des Tages bereits 12 Minuten gewidmet hat, dann wird uns der "Brennpunkt" genau zu dieser Schlagzeile angekündigt. Dann erfahren wir die "nicht unabhängig überprüfbaren" Nachrichten nochmals. Das bewirkt Erschöpfung und führt zu mentaler Kapitulation oder aber aktiver Abkehr.
So wird "das Pack" mit jedem neuen Debattenfokus und der vorweggenommenen "richtigen" Antwort, heiße er nun gendergerechte Sprache, fleischarme Ernährung, Solidarität mit einer (natürlich der richtigen!) Kriegspartei, Heizungsgesetz oder Landwirtschaftsdiesel, Schritt für Schritt immer größer, und auch immer bunter. Denn jeder neu Dazukommende fühlt sich ja aus anderen, neuen Gründen unzutreffend diffamiert, vielleicht sogar gedemütigt. Und Demütigung macht leider häufig auch aggressiv, auch das "Pack". - Wie es in den Wald hineinruft ...
Eine schlimme Nebenwirkung dieser Routine ist, dass mit jeder Bombe, die fällt, mit jeder akribischen Beschreibung der Tötung und Zerstörung die Bedeutung des Krieges schrumpft, und schließlich in der gleichen Ebene wahrgenommen wird wie fleischarme Ernährung. Wer kann das wollen?
"Die Mitte" wird im gleichen Atemzug aber noch lauter, weil "der Rand" es doch anders gar nicht begreift. Ein selbstverstärkender Prozess mit umfassenden Folgen in allen Politikfeldern. Und zwar insbesondere in Sachen Nachhaltigkeit. Wieso?
Ignoriertes Wissen. Unsere Zivilisation ist ihr eigenes Opfer. Der Erfolg bisheriger gesellschaftlicher Ordnungen (keine andere Art hat je so eine rasante Erfolgsspirale hingelegt) hat die zivilisationsbedrohenden Veränderungen des Klimas und den Verlust an Biodiversität entscheidend forciert. Unser Wohlstandsstreben und das zugehörige Versprechen der Marktwirtschaft haben die Im-Einklang-Leben-Instinkte unserer Vorfahren überwuchert. Als betäubender Dünger wirkte die räumliche Trennung zwischen Wohlstandsgewinn und nachteiligen Folgen.
Unsere augenblickliche Antwort ist wieder (d.h., wie so oft schon zuvor) auf mindestens diesem Auge blind. Denn die Bewältigung von auch hier spürbarer Klima- und Biodiversitätskrise wollen wir, trotz der rasanten Verknappung fast aller mineralischen Ressourcen (Lithium, Seltene Erden, Kobalt & Co. lassen grüßen), gerade auf deren Kosten, durch deren noch stärkere Übernutzung bewerkstelligen. Die Bergbaufolgen liegen ja zum Glück auf anderen Kontinenten. Da erscheint es tollkühn, wenn behauptet wird, den Weg aus der (multiplen) Krise zu kennen. "Die Mitte" verspricht es dennoch. Erst noch schnell Russland besiegen sowie Hamas und Hisbollah ausmerzen, dann kümmern wir uns wieder darum!
Falls wir jedoch überhaupt eine Chance haben wollen, so ist sie nur durch eine wirklich gemeinsame Anstrengung, eine gemeinsame Suche nach tatsächlich begehbaren Wegen zu ergreifen. Der seit Rio 1992 proklamierte Gleichklang zwischen Umwelt, Sozialem und Wirtschaft verträgt kein Gegeneinanderausspielen. Und deswegen ist es eben falsch, eines der drei Ziele zu priorisieren, wie es in der meist beliebig gewordenen Nachhaltigkeitsdebatte von allen Seiten getan wird. Und auch wenn Natur und Umwelt nicht verhandelbar sind, so ist deren Schutz bei kollabierenden Gesellschaften und eskalierenden Kriegen eben gar nicht erreichbar. Dann schützt sich die Natur, indem Homo sapiens ausstirbt (was vielen der besonders erfolgreichen Arten so ergangen ist).
Es ist also nicht im Interesse der Natur, dass wir uns einigen, sondern in unserem. Und dazu braucht es alle Ideen, aber auch alle Ängste. Niemand sollte Ängste vom Tisch wischen, denn es waren immer die Nichtängstlichen, die jene Stoffe, die wir heute wegen ihrer Gesundheits- und Umweltgefährdungen verbannen, in Verkehr gebracht haben.
Es gibt viele Stimmen, die sagen, diese Gemeinsamkeit könne in der Marktwirtschaft nicht gelingen. Die (Wachstums-)Zwänge des Marktes würden jeden gefundenen Kompromiss in eine Rebound-Schleife führen, die eben diesen Kompromiss aushöhle.
Vielleicht ist das so. Vielleicht aber auch nicht.
Akzeptiertes Noch-Nicht-Wissen. Allerdings müssten wir hierfür tatsächlich eine Nachhaltigkeitskultur erlernen.
Was das ist? Das ist vor allem die Bereitschaft, Wahrheiten zu hinterfragen (und damit sind selbstverständlich nicht die naturwissenschaftlich belegten Fakten gemeint - die verdienen viel stärkere Beachtung). Postwachstumsökonomie, internationales Zusammenwirken ohne Export des westlichen Demokratiemodells, globale Klimaabkommen unter tatsächlicher Anerkennung der Leistungen des Südens für den Status quo des Nordens, das sind einige der Themenbereiche, in denen Modeworte wie Augenhöhe, Inklusion, Chancengleichheit oder Innovation tatsächlich gelebt werden müssen, wenn wir die o.g. Chance ergreifen wollen. Viele weitere lassen sich finden.
Das alles gelingt aber eben keinesfalls, wenn der Diskurs "der Mitte" vorbehalten bleibt. Hierfür muss diese Mitte gemeinsam um "den Rand", "das Pack" kämpfen, und nicht gegen ihn!
Ich will dabei noch zwei Fragen beleuchten, die ich als wichtige Voraussetzung für das Gelingen sehe.
Die eine betrifft uns Nachhaltigkeits-Treiber selbst. Wir sollten endlich aufhören, ständig auszustrahlen, wir wüssten, wie's geht. Vor allem wir sollten nicht lauter, sondern leiser werden. Gerade weil die Zeit drängt. Und wir wären gut beraten aufzuhören, von übermorgen zu fabulieren. Das Heute beschäftigt uns alle viel zu sehr, egal ob Mitte oder Rand. Und darüber müssen wir reden und Bewältigungs-Ideen generieren, die den Weg als noch nicht kartiert akzeptieren und genau darin die Herausforderung, den Reiz sehen. Eigentlich haben wir doch alle Freude daran, Unbekanntes zu erkunden, zu entdecken. Warum also nicht eine "Zukunft in Einklang" - denn etwas anderes ist Nachhaltigkeit nicht.
Der viel weniger im eigenen Zugriff liegende Punkt ist die "wertegeleitete" Weltordnung. Ist es etwa "wertegeleitet", wenn wir im Norden unseren Fachkräftemangel durch Brain-Drain aus dem Süden decken und das auch noch als Entwicklungshilfe, Ausdruck freier Individualentscheidungen oder gar geordnete Migration verkaufen? Dies sind die Werte des alten, kolonialen Egoismus und sie taugen nicht für das, was nun mal nur global zu bewältigen ist.
Ein zentraler Aspekt eines neuen Wertekanon ist dabei ganz sicher, dass die G7 erkennen, dass sie eben längst nicht mehr die G7 sind. Augenhöhe beginnt, wo Größe nebensächlich wird!
Und da sind wir beim Frieden. Alles, was ich zum Gelingen von Nachhaltigkeit inkl. der unumgehbaren Dekarbonisierung skizziert habe, kann nicht gelingen, solange Kriege geführt werden. Auch hier zählt vor allem die Bereitschaft, Wahrheiten und deren Zustandekommen zu hinterfragen. Bereits die Vehemenz, mit der Fragen zum Zusammenhang zwischen vorausgegangener politischer Demütigung und aktueller Aggressivität vom Tisch gewischt werden, zeigt, dass diese überlebensrelevante Bereitschaft unzureichend entwickelt ist.
Fakt ist, dass jeder Kriegstag Menschenleben kostet. Und zwar mehrfach: jetzt in den Kriegsgebieten, und demnächst überall, weil wertvolle Zeit und Ressourcen verschwendet worden sind, die wir dringend für die Nachhaltigkeitsziele und damit den Menschheitsfortbestand hätten einsetzen müssen.
Wir sind also wirklich mitten in einem typischen Ferdinand-von-Schirach-Dilemma, das nur diplomatisch und in Gemeinsamkeit gelöst werden kann, was u.U. beinhaltet, weitestgehend und freiwillig auf juristische Auseinandersetzungen zur Durchsetzung von Individual- oder Klientelinteressen zu verzichten. Der als Transformation bezeichnete Weg braucht also Innovation und Umbruch in allen gesellschaftlichen Bereichen. Und dafür ist es höchste Zeit.
Vielleicht begehbare Einstiegsversuche? Zuallererst verlangt die Perspektive des ländlichen Raums nach einer völlig neuen Verhandlung des Verhältnisses zwischen Stadt und Land. Wenn die Emanzipation vom fossilen Kohlenstoff, und sie ist der Schlüssel der "Zukunft im Einklang", gelingen soll, so wird der ländliche Raum unter einem Flächennutzungsdruck ächzen, der den dort Lebenden alles abverlangt. Windparks, Solarfelder, vernässte Moore, Landwirtschaft für Lebensmittel und Chemierohstoffe, Erholungsräume für gestresste Städter, Schutzräume für den Biodiversitätserhalt, CO2-Senken, Sauerstoffspender, Wasserreserve - alles, buchstäblich alles wird dort passieren. Wäre es dann nicht an der Zeit, den dort Lebenden entgegenzukommen, ihre Stimme zu hören?
Im Augenblick erleben wir eher, dass aus im weihnachtlichen Überfluss hell illuminierten Metropolen die Aufrufe an die Landeier gesendet werden, den Widerstand gegen Wind und Solar usw. doch endlich aufzugeben. Jede Geste, die die urbane Bereitschaft zur Einsparung zeigt, könnte hier neue Pfade eröffnen. Nahverflechtung macht die Begrenztheit von Ressourcen sehr deutlich, sie könnte durch Land-Stadt-Allianzen befördert werden.
Ein zweiter Aspekt sind Schritte, mit denen Mitte und Rand wieder aneinanderrücken können. "Laut" scheint da ebenso wenig geeignet wie Beharren auf Grundsatzdiskussionen. Gemeinsamkeit entsteht durch gemeinsames Erleben von eher unstrittigen Vorhaben. Natürlich sollten die nicht Ressourcenverschwendend sein. Sie können aber erlebbar machen, dass ein "Weniger" nicht automatisch ein "Schlechter" ist. Und solche Erfahrungen und den daraus entstehenden Mut brauchen wir, wenn wir die schier riesigen Anforderungen der Kipppunkt-Vermeidung schaffen wollen.
Begünstigend hierfür wäre es außerdem, wenn die junge Generation erkennen würde, dass der einzige Vorsatz der vielfach als Miserenverursacher schuldiggesprochenen Alten war, dass es ihren Kindern besser gehen solle als ihnen selbst. Wir Alten haben das Wohlstandsversprechen des fossilen Zeitalters zu lange für erfüllbar gehalten, das müssen wir uns tatsächlich ankreiden lassen. Unser Fußabdruck war aber dennoch recht klein im Vergleich zu heutigen jungen Erwachsenen, weil eben das Wohlstandsniveau sehr viel geringer war. Sich das bewusst zu machen, kann Gemeinsamkeit erleichtern und Kräfte freisetzen.
Diese Einstiegsoptionen in die gemeinsamen Suchen mögen jetzt banal, zu klein gedacht und träumerisch klingen. Letzteres trifft ganz sicher zu. Vielleicht ist es aber dennoch der Einstieg in jenen Weg, der auch innerhalb der Marktwirtschaft funktionieren kann.
Vielleicht müssen wir uns den richtigen Wegen nähern, indem wir unseren Disput in Anerkennung des Noch-Nicht-Wissens nicht gleich auf den Konsens zum "unumstritten Richtigen" fokussieren, sondern uns stattdessen erstmal mit dem "wahrscheinlich nicht Falschen" begnügen. Der "gemeinsame Nenner" war immer ein Weg zum Kompromiss, der "dann vollkommen (ist), wenn alle unzufrieden sind.", wie es Aristide Briand, Friedensnobelpreisträger von 1926, formulierte.
Die globalen Ökosysteme kennen keine Kompromisse - also müssen wir die gesellschaftlichen unbedingt finden. Und diese Suche erspart uns keiner.
Nachsatz. Um es am Ende nochmal klar zu sagen - ich habe volles Verständnis für Sigmar Gabriels damalige Wortwahl. Er war wahrscheinlich überwältigt und zugleich überfordert, hat seine Ablehnung gegen jede Form von Aggression und insbesondere Nazi-Gedankengut deutlich machen wollen. Diese Ablehnung teile ich aus tiefstem Herzen, der Höcke-Aufstieg nicht nur in Thüringen macht mir große Angst.
Dass diese Emotion aber auf eine solche fatale Art verallgemeinert und verstetigt worden ist und weit über das Benennen der Hass-Anheizer hinaus und in jedem Einzelthema gepflegt wird, das lähmt uns alle. Und diese Lähmung ist lebensbedrohlich, nicht nur wegen der Kriege, sondern ganz besonders wegen der verpassten Chancen, das Überschreiten der globalen ökologischen Kipppunkte zu verhindern.